
„In einer Zeit der fortschreitenden Individualisierung* sind KünstlerInnen Vorbild für die um sich greifende „soziale Logik der Singularisierung“ ** (Andreas Reckwitz), ein Bewertungssystem, das Besonderheit und Einzigartigkeit auszeichnet. Das Ideal der Arbeit ist Selbstverwirklichung. Nun hat jeder etwas Besonderes zu sein, ob im Beruf oder selbstdarstellerisch in den sozialen Medien. Letztere geben nun auch jedem/r eine eigene Bühne. Wir performen analog und digital, schwanken zwischen Selbstfürsorge und Selbstoptimierung. Selbstverwirklichung kippt oft in Selbstausbeutung. Wozu? Das Versprechen der Moderne, dass alles immer besser wird, lässt sich nicht einhalten. Medien, deren Algorithmen bevorzugt Polarisierendes verbreiten, fördern Wutausbrüche. Aber können Wutausbrüche auch Selbstfürsorge sein? Sollten wir, wir Einzelnen, uns wieder mehr mit Doppelgängern und Doubles beschäftigen, die uns zweifeln lassen an unserer Einzigartigkeit? Oder lassen wir uns doch unsere Identität wieder von jemand anderem bauen, zum Beispiel vom AutorInnen oder RegisseurInnen. Oder schreit das Volk eh schon wieder aus voller Kehle nach einem Regisseur? ***
Also, kurz: Es geht um Verweigerung, enttäuschte Erwartungen, sinnlose und sinnvolle Wutausbrüche, Energieverschwendung, Doppelgänger, Kulissen, Bühnen und andere Fakes. Sorry.“
JB
Gezeigt werden Videos, Fotografien, Installationen & Sound.
Gastbeitrag: Julia Herbster
Gast-DJs: TBA
Johannes Bode hat an der Universität der bildenden Künste studiert, ist Gründungsmitglied der Subetasch, lebt in Gmünd und Wien und arbeitet auch für das Wald4tler Hoftheater, u.a. Regie für „Jedermann“, das heuer wieder zu sehen ist.
Vernissage: 20. April ab 19 Uhr
Finissage mit anderen Gästen: 12. & 13. Juli ab 14 Uhr
Bobbin Gmünd, Roseggergasse 2
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* Die individualisierten Existenzlagen bringen neue Anforderungen hervor, die sowohl mehr Autonomie als auch vielgestaltige Zumutungen bedeuten: Stehen auf der einen Seite die Verheißungen von Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit und sozialer Anerkennung, so bedeutet Individualisierung heute zugleich die Notwendigkeit zu immer größerer Flexibilität, Mobilität, und Leistungsbereitschaft. (vgl. Schroer 2001, Das Individuum der Gesellschaft, S. 400 f.)
** Der kulturelle Kapitalismus generiert jene Logik, die Menschen dem Druck aussetzt, nicht bloß ökonomisch erfolgreich zu sein, sondern sich als einzigartige Individuen zu beweisen und ein geglücktes Leben zu führen. Die Singularisierung münde, so Reckwitz, in eine gesellschaftliche Polarisierung, also eine Abwertung des Nicht-Singulären. Dort, wo Singularisierung nicht möglich ist, entstehen Enttäuschungen und Abstiegsängste, die wiederum oft dazu führt, dass Menschen den rechten Rand wählen.
*** „Sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige die ununterbrochen aus vollem Hals nach einem Regisseur schreien“ Thomas Bernhard, Heldenplatz, 1988
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